Nostalgie ist zweifellos zur schärfsten Waffe der Popkultur geworden. Sie war schon immer präsent und beeinflusste konstant Mode und Film, doch die letzten Jahre in der Popkultur waren voll von Hommagen an die Großen oder boten dem Publikum einfach für ein paar Minuten eine Flucht in die Vergangenheit. Warum empfinden wir so viel Nostalgie für eine Zeit, die wir nie wirklich erlebt haben? Sehnen wir uns nach einer Vergangenheit, die wir uns nur vorstellen, oder wünschen wir uns, so cool auszusehen, wie es vor den sozialen Medien schien? Es kann beides sein: eine nahtlose Mischung aus Aspiration und Neugier bei gleichzeitiger Bewahrung einer Ästhetik, die nie alt wird. Wie auch immer die Antwort ausfällt, unbestreitbar ist, dass Bilder aus der Vergangenheit völlig faszinierend sind.
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Von der satinbehandschuhten Glamourwelt Hollywoods der 1950er bis zum Neonwahn der 80er sind Vintage-Ästhetiken ein filmischer Code für Zeitlosigkeit. Obwohl wir eine Welle zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler beobachten, die ihre innere Vintage-Diva kanalisiert, ist dies kein neues Phänomen. Musik hat schon immer mit Erinnerung gespielt. Beweis A: Madonna, die in den 1980ern in „Material Girl“ Marilyn Monroe kanalisiert und ihren Hit zu einer Hommage an das goldene Hollywood macht. Heute führen zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler die Tradition der Tributes fort und sorgen dafür, dass ihr Publikum mühelos Jahrzehnte überspringen kann, während Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen. Was wir hier haben, ist stichhaltiger Beleg dafür, dass die visuelle Kraft der Nostalgie nie wirklich verschwunden ist — sie wurde nur stärker.
In einer Ära, die von Mikrotrends und Viralität dominiert wird, bietet ein Spaziergang durch die Erinnerungstunnel Tiefe und endlose Inspiration – als Erinnerung daran, dass man manchmal zurückblicken muss, um voranzukommen.
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Sabrina Carpenter – Tears
Sabrina Carpenters neues Album „Manchild“ erschien gegen Ende des Sommers, gerade rechtzeitig für eine neue Saison der Verwandlung. Als jemand, der keine Unbekannte im Experimentieren mit gewagten Visuals und Erzählweisen ist, liefert die glamouröse Pop-Ikone in diesem filmischen Meisterwerk eine Meisterklasse in Vintage-Glamour und witzigem Charme. Regie führte Bardia Zeinali; der fünfminütige Clip versetzt uns in eine geheimnisvolle, von den 1960ern inspirierte Welt, die an ein Filmset des goldenen Hollywood erinnert. Geschmückt mit funkelnden Diamanten, reichlich Haarspray und hypnotisierenden Tanzbewegungen würden wir nichts dagegen haben, wenn dieses Musikvideo zu einem ausgewachsenen Musical würde. Carpenters Figur findet sich in einem unheimlichen Haus wieder, in dem sie einer Frank-N-Furter-ähnlichen Gestalt begegnet, bevor sie eine skurrile Reise voller flamboyanter Figuren und düster-komischer Wendungen antritt. Ungewöhnlich chaotisch, glamourös und sehr Sabrina – sie hat es wieder einmal großartig getroffen.
Doja Cat – Jealous Type
Dojis Cat Lead-Single aus ihrem bevorstehenden fünften Studioalbum „Vie“ ist eine zutreffende Hommage an den Glamour der 80er. Das von Boni Mata inszenierte Video beginnt langsam und sinnlich, ganz im typischen Doja-Cat-Stil, bevor sich eine von Erotikthrillern inspirierte Handlung entfaltet. Das Video betont die klassischen Symbole der Ära – denken Sie an VHS-Kassetten, Zigarren und platinblondes Haar. Jeder Frame ist geladen mit Referenzen; von Neonbeleuchtung bis zu kühnen, statementgebenden Mode-Teilen (ich meine, diese Sonnenbrillen verdienen stehende Ovationen). Animalprints, Archive-Designs von Claude Montana und eine Retro-Farbpalette, kuratiert und beschafft vom Stylisten Brett Alan Nelson, wurden zu einer perfekten, lebendigen Feier der Popkultur der 1980er. Das Video verweist nicht nur auf das Jahrzehnt; es erweckt Nostalgie perfekt zum Leben.
Beyoncé – Why Don’t You Love Me
Veröffentlicht 2010 als Bonustrack ihres Albums „I Am… Sasha Fierce“, zeigt das von Melina Matsoukas inszenierte Video Beyoncé als B.B. Homemaker, eine glamouröse Hausfrau mitten in einem emotionalen Zusammenbruch. Die Komplexitäten des häuslichen Lebens werden durch spielerische Retro-Elemente ergänzt, darunter Vintage-Unterwäsche, fesselnde Choreografien und körnige Kinematographie. Ihr von Bettie Page inspirierter Pony und das romantische Make-up verleihen eine verführerische Pin-up-Sensibilität, während zugleich die Geschlechterrollen der 1960er parodiert werden, etwa wenn sie eine Autanleitung liest und den Boden schrubbt. Die campy Aufführung ist die perfekte Mischung aus Vintage-Glamour und seifiger Melodramatik.
Lana Del Rey – National Anthem
Eröffnend mit einer neu interpretierten Version von Marilyn Monroes ikonischem „Happy Birthday Mr. President“-Moment, entwickelte sich „National Anthem“ schnell zu einem der denkwürdigsten Videos der modernen Popmusik. Das Musikvideo porträtiert das Amerika der 1960er durch Lanas Sichtweise, wobei sie selbst Jackie Kennedy spielt und A$AP Rocky JFK darstellt. Ihre Chemie wird durch Instagram-ähnliche Bildästhetik eingefangen, die die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart verwischt, was die Sängerin als „definitiv das Schönste, was ich je gemacht habe“ beschrieb. Die Schönheit liegt nicht nur in den pastellfarbenen Minikleidern und Wählscheibentelefonen; die Kameraführung fängt mehrere intime Nahaufnahmen, Zeitlupenszenen und letztlich Tragödie ein. Der siebenminütige Kurzfilm unter der Regie von Anthony Mandler verband erfolgreich Patriotismus mit Pop-Melodrama und zeigte, wie berauschend und verheerend Nostalgie sein kann.
Lady Gaga – Eh, Eh (Nothing Else I Can Say)
Lady Gaga wollte 2009 unbedingt Camp servieren mit einer 50er-Fantasy im Video zu „Eh, Eh (Nothing Else I Can Say)“. Bevor sie ein Fleischkleid trug, wurde Gaga auf Vespas ertappt, trug Vichy-Karo, goss Blumen in Kitten-Heels und bereitete Fleischbällchen für ihren Mann zu – wie eine echte italienische Frau! Regie führte Joseph Kahn; das Musikvideo ist geschmackvoll kitschig und unwiderstehlich verspielt. Der Vintage-Tagtraum lässt alles leicht und süß wirken dank Szenen von einer Nachbarschaftsparty, guter Gesellschaft und kirschroten Cabrios. Selbst beim Liebeskummer scheint in diesem Setting nichts zu ernst zu sein. Von dieser Aufrichtigkeit und zuckersüßen Ironie könnte die Popwelt heute ruhig etwas gebrauchen.
Christina Aguilera – Candyman
Für „Candyman“, 2007 unter der Regie von Matthew Rolston, tauchte Christina Aguilera in 40er-Pin-up-Glamour ein und kanalisiert die Andrews Sisters, indem sie sich selbst in ein Trio aus Brünetten, Rothaarigen und Blondinen vervielfältigt. Matrosenuniformen und Jitterbug-Tanznummern, gepaart mit einem ansteckenden Beat und Christinas charakteristischer stimmlicher Power, waren das Rezept für einen Hit nach der Jahrtausendwende. Was dieses Musikvideo auszeichnet, ist sein kompromissloses Eintauchen in das Gefühl eines Technicolor-Fiebertraums. Mit jedem Frame sehen wir, wie Christina Aguilera den Zweiten Weltkrieg mit einer modernen Wendung neu schreibt und militärische Szenen in eine Bühne verwandelt, angetrieben von ihrem roten Lippenstift und frecher Selbstsicherheit. Das Endergebnis ist eine schillernde Mischung aus Nostalgie und Kühnheit, die wir im großen Jahr 2025 weiterhin bewundernd betrachten.
The Weeknd – Blinding Lights
Jeder erinnert sich, wo er war, als The Weeknd 2019 seinen neongetränkten, von den 80ern inspirierten Fiebertraum veröffentlichte. Unter der Regie von Anton Tammi zeigt das Video Abel, wie er in einem Sportwagen durch leere Stadtstraßen rast wie ein Batman der Synth-Ära, mit perfekt frisiertem Haar und schicker Garderobe, und löste damit die Vintage-Revolution Ende der 2010er Jahre aus. Gedreht über vier Nächte in der Fremont Street, der Innenstadt von L.A. und Las Vegas, fühlt sich dieses Meisterwerk an wie ein Retro-Blockbuster: alte Sportwagen, mit Palmen gesäumte Straßen, üppiges Interieur und schwere Synthesizer. Dieses Video wirkt wie eine fehlende Filmrolle aus einem noirartigen Thriller und erweckt erfolgreich eine ganze Ära wieder zum Leben.
Bruno Mars – Treasure
Wenn „Blinding Lights“ eine Ode an den Neon-Exzess der 80er war, ist Bruno Mars’ „Treasure“ purer Disco-Wahnsinn der 70er. Mit seinen Retro-Filtern und dem VHS-Rauschen greift das Video die fiebrige Energie der späten Nachtausstrahlungen von Soul Train auf, komplett mit kaleidoskopischen Überlagerungen und Vintage-Filtern. Zusammen mit seiner Band, The Hooligans, zeigt Bruno seine geschmeidigen Moves auf der Bühne in scharfen roten Anzügen und zollt damit den Großen Respekt: Prince, Michael Jackson und James Brown. Das von Cameron Duddy inszenierte Video setzt stark auf Lo-fi-Illusionen, die an die „Found-Footage“-Ästhetik einer lange verschollenen Performance erinnern. Gleichzeitig ist es die Schlichtheit des Sets – die Scheinwerfer, die nüchterne Bühne und der Schwall an Vintage-Stimmung – die das Visuelle so gut funktionieren lässt.
OutKast – Hey Ya!
OutKast veröffentlichte 2003 mit „Hey Ya!“ ein einzigartiges Spektakel. Das Konzept stellt eine Live-TV-Performance im Stil der 60er Jahre nach, wobei André 3000 jedes Mitglied der Band The Love Below spielt. Was wie eine verspielte Reminiszenz an die Beatlemania aussieht, wurde absichtlich im analogen Stil gedreht, durchtränkt von leuchtenden Grün- und Gelbtönen, die die Ästhetik der Zeit perfekt einfangen. Die kreischenden Teenagerinnen und hektische Kameraführung, so humorvoll sie wirken, fangen dennoch genau die kulturelle Raserei einer Ära ein, in der das Fernsehen die Musikgeschichte prägte und die Popkultur verstärkte. Regie führte Bryan Barber; das Video katapultierte den Track nicht nur in den Mainstream, sondern definierte „Hey Ya!“ auch als einen der prägendsten Popkultur-Momente von 2003.
Madonna – Material Girl
Lange bevor Nostalgie zum Lieblingsspielplatz der Popstars wurde, führte Madonna ihr Publikum bereits in eine andere Ästhetik ein. Ihr Hit „Material Girl“ wurde von einem Video begleitet, das vielleicht die berühmteste Hommage in der Geschichte der Popkultur wurde: eine Nachstellung von Marilyn Monroes „Diamonds Are a Girl’s Best Friend“ aus dem Film Gentlemen Prefer Blondes (1953). Ein Video voller pinken Satins, zum Sterben-schöner Diamanten und umwerfender Verehrer verwandelte Madonnas Vintage-Referenz in einen neuen Klassiker der Moderne. Regie führte Mary Lambert; das Video präsentiert in brillanter Weise Madonnas Doppelrolle: sowohl Objekt der Begierde als auch die clevere Frau, die sich nicht von glänzenden Geschenken täuschen lässt. Das Konzept ist glamourös genug, um Hollywoods goldene Ära zu beschwören, und zugleich eine Satire auf Materialismus in der Reagan-Ära. Fast 40 Jahre später wird „Material Girl“ immer noch als eines der ikonischsten Musikvideos aller Zeiten und als Beispiel scharfsinniger Popkulturkritik zitiert.
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Text: Velvet Coke
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