Istanbul Ghetto Clubs romanhaftes Debüt ist ein Labyrinth aus Ironie, Identität und Klang; eine halluzinatorische Satire, die nicht nur hinterfragt, was Musik ist, sondern auch, warum wir überhaupt erwarten, dass sie Sinn ergibt.
24 · 11 · 2025
Bei Istanbul Ghetto Club ist nichts so, wie es scheint, nicht einmal etwas so Selbstverständliches in der Musikszene wie ein neues Album. Während das Kollektiv auf seiner Anonymität besteht und alle Live-Auftritte durch Gesichtsmasken und Pelzbekleidungen gekapert werden, kündigt ihr neues Album ‚Some Tales To Boost Your Unnecessary Mind Activity‘ die Ankunft eines Streichs an, der so eigen ist wie sie selbst. Ohne es auszusprechen, weiß man: Istanbul Ghetto Club ist da — und mit ihnen nichts weniger als ein köstlicher Fiebertraum.
Das in Berlin ansässige Kollektivs neues Album ist kein Musikprojekt im herkömmlichen Sinn, sondern etwas, das noch keinen Namen hat, ein Genre, das noch nicht geprägt wurde; eine acid-getriebene, rohe und durch und durch fiebrige One-Take-Live-Aufnahme — ein passender Ansatz für ein Musikkollektiv, dem die Performance genauso wichtig ist wie die Stücke. Perfektionierung, Mastering und der „richtige Sound“ sind dem Statement nachgeordnet. Ihnen werden Namen und Geschichten von Menschen vorgesetzt, die entweder Ihre Nachbarn sein könnten oder jene, die vielleicht niemals existiert haben. Um noch einen Schritt weiterzugehen: Das Album erscheint nicht digital, sondern heimlich in Form eines Buches. Sind es am Ende des Tages nicht Geschichten? Auf ihrer Website heißt es: „Die besten Momente waren die, die das Internet nie berührt haben. Also haben wir unser Musikarchiv nicht in den Algorithmus geworfen. Wir haben es in diesem Buch versteckt.“
Wie der Titel des ersten Tracks ‚Irrelevant story of Kazma Riza who has a red transparent car and who smiled to a broken mirror‘ andeutet, setzt das Eröffnungslied den Ton: das erste seiner Art — ein Rave-Album, das von Erzählungen getragen wird. Nicht in der Art von Biggie Smalls’ Rap oder der Lyrik eines Genies, sondern mit einer monotone Stimme à la Siri oder KI, die die Geschichte von Kazma Riza und einem fantastischen, roten und transparenten Auto erzählt. Dieses Interlude ist halb Synth, halb Ritual, acid-getrieben und dennoch folkloristisch, eine Verbindung mediterraner Akustik — namentlich der Bağlama — mit Berliner Techno-Synth-Linien, gefolgt von einer heiligen Rückkehr, dieses Mal zur Geschichte von Mustafa, der von Dorothy unterbrochen wird. Es ist eine von Maschinen erzählte Fantasie, vertieft durch orientalische Texturen. Eine Parallelwelt, in der Kulturen koexistieren — vielleicht eine Ode an Berlin, wo Ketamin und Döner gleichermaßen beiläufig in denselben Sätzen vorkommen. Es ist ein surrealer Zusammenprall von Welten; Welten innerhalb von Welten. Mehr Experimentalfilm als Album, lässt es kaum Raum, um über Klangtexturen, Equipment und Synthesizer zu sprechen.
Das Album ist Meta, selbstbewusst und macht sich über sich selbst lustig. Der fünfte Track des Albums trägt den treffenden Titel ‚Top 10 oriental ideas to make your music sound really culturally appropriate‘ und ist ein leises Geständnis, gefolgt von einer noch leiseren Erklärung: „However cancels the Cancel Mafia will be cancelled by the Cancel Mafia“. Die Performance ist vielschichtig — sichtbar durch ihr Bestehen auf Anonymität und untermauert durch die Titel-Aussagen. Und dann, nach zwei wortfreien Tracks, mischt sich erneut eine Geschichte ein: „An dem Tag, als Fatma Abla unterschiedliche Schuhe trägt und Matthias beschließt, Bier und Chips zu kaufen.“ Die Geschichten sind wie die Musik ein Zusammenfluss von Welten — Ost und West, digital und menschlich, Mythos und Realität.
Beim achten und letzten Track kehren wir zum Albumnamen ‚unnecessary mind activity…‘ zurück und erkennen, dass der Ausdruck selbst vielleicht das Manifest ist. Istanbul Ghetto Clubs Debüt ist ein Labyrinth aus Ironie, Identität und Klang; eine halluzinatorische Satire, die nicht nur fragt, was Musik ist, sondern auch, warum wir erwarten, dass sie überhaupt Sinn ergibt.
8/10
Text: Salma Mousa
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Im Fall des Istanbul Ghetto Club ist nichts so, wie es scheint, nicht einmal etwas so Selbstverständliches für die Musikbranche wie ein neues Album. Während das Kollektiv