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Mabel – Mabel

Mabel – Mabel

      Nach Jahren mit Chart-Topper-Singles, arenafähigen Hits und medialer Anerkennung landet Mabels selbstbetiteltes Mixtape wie eine späte Nachte-voice-note, die man nicht erwartet hat – ungeskriptet, ein wenig chaotisch und völlig ehrlich.

      Zwei Jahre nach ihrem ausgefeilten zweiten Album „About Last Night“ verzichtet „Mabel“ auf die hochglanzpolierte Performance zugunsten von etwas Instinktiverem. Die Art von Kurswechsel, den Künstler machen, um nicht Algorithmen nachzulaufen, sondern um ihre Kunst zu zeigen.

      Auf neun Tracks aufgebaut und größtenteils in ihrem Heimstudio zusammengefügt, besteht „Mabel“ aus einem lockeren, texturierten Klang, der melancholischen R&B, verzerrten Pop und Funken des DIY-Energie verbindet, die die frühen Arbeiten der Singer-Songwriterin prägten.

      Der herausragende Fokus-Track „Turn Me Up“, produziert vom langjährigen Mitarbeiter Oscar Scheller, dient als klangliches Manifest. Ein Dunst aus ausgewaschenen Gitarren und schiefem Perkussion setzt die Stimmung, während Mabels Gesang federleicht, aber niemals schwerelos wirkt. „Es geht um die unperfekte Seite von Beziehungen“, erklärt sie, und man spürt das – chaotisch, zärtlich, sehnsüchtig nach Verbindung, aber sich weigert aufzugeben.

      „Benz“ mit dem britischen Rapper Clavish bringt eine wohlüberlegte männliche Perspektive in die Tracklist. Clavishs Verse verankern die träumerische Produktion mit kalter, sachlicher Lyrik, während Mabels Stimme um ihn herum schwingt, dezent verführerisch. Die Chemie ist nicht explosiv, sondern köchelt langsam – ein bewusster, absichtlicher Brennpunkt.

      Andernorts, etwa bei „Love Me Gentle“, spiegelt sich der Titel mit wiegendem, nächtlichem Energieflair, einer Unterströmung aus Afrobeats und mitreißenden Texten „don’t love me hard, love me gentle, don’t love me hard, love me special“ – passend zu den sanften Sommer-Vibes.

      „Venus“ könnte sich als schwarzes Schaf dieses Projekts erweisen. Mit einem bassigen elektronischen Beat und verführerischen Lyrics gönnt es sich den „schön chaotischen“ Klangraum, der die neun Tracks verbindet.

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      Und doch, trotz der weichen Töne, verfällt das Mixtape nie in Selbstmitleid. Mabel beschreibt das Tape als ein „etwas toxisches Liebesbrief-ähnliches“ Schreiben an ihr Jahrzehnt in der Branche, und man hört die Spannung darin, etwa bei „January 19“ – ein diarischer Rückblick auf persönliche Meilensteine, der sowohl Feier als auch Ermüdung zeigt. Es klingt, als lerne sie, das Chaos der Musikindustrie auf ihre eigene Weise zu lieben.

      Das Produktionsteam – Oscar Scheller, Arthur Bean, Mabel selbst und einige vertraute Mitarbeiter – spielt eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung des Klangbildes. Ihre Arbeit ist minimalistisch, aber nie unbunt. Beats lassen Raum. Texturen breiten sich langsam aus. Es ist eine mutige Entscheidung für eine Künstlerin, die einst in chart-tauglichen Umgebungen aufblühte, doch es wirkt authentisch.

      Natürlich ist „Mabel“ nicht darauf ausgelegt, jeden zu erfreuen. Fans, die ein weiteres streng kuratiertes Pop-Album erwarten, könnten seine lockere Struktur ungewohnt finden. Aber genau darin liegt der Punkt. Das Mixtape-Format erlaubt es ihr, roh, widersprüchlich und ungefiltert zu sein, wie es ein Studio-Album nur selten zulässt. Es ist das Klangbild des Loslassens von Branchenansprüchen, Imagepflege und Kontrolle.

      Mabel war schon immer ein Spiegel des Moments, der die Entwicklung des britischen Pop und R&B seit den späten 2010ern geprägt und reflektiert hat. Doch „Mabel“ – passend zum Selbsttitel – fühlt sich an, als halte sie den Spiegel gerade sich selbst vor. Das Ergebnis ist eines ihrer persönlichsten und überzeugendsten Werke bis heute.

      Während sie dieses Mixtape im Herbst auf ihrer intimen „Right On Time“-Tour präsentieren wird, ist eine Sache klar: Das ist kein Rebranding. Es ist „eine Neu-Introduction“.

      8/10

      Worte: Sophie Harman

Mabel – Mabel

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