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The Last Dinner Party, O2 Academy Brixton, London: ein freudiger Auftritt, der den Kreis schließt

The Last Dinner Party, O2 Academy Brixton, London: ein freudiger Auftritt, der den Kreis schließt

      Gewöhnlich wird das Phänomen, dass sich Fans für eine Show herausputzen, mit den obersten Rängen des Pop in Verbindung gebracht – Cowboystiefel und Hüte für Chappell oder Beyoncé; „Eras“-Outfits für Taylor; extravagante, selbstgemachte Kopfschmuckstücke für Gaga. Wenn man jedoch heute Abend durch die Straßen Südlondons blickt, wird klar, dass es eine Ausnahme von dieser Regel gibt. Mit ihren scharfkantigen Rüschen und einer Aura ungepflegter Dekadenz schienen The Last Dinner Party geradezu dafür bestimmt, hier zu spielen; die angelaufene Grandezza des Saals der Brixton Academy erweist sich als der perfekte Schauplatz für die stets ambitionierte, immer theatralische Live-Inszenierung der Band.

      Tatsächlich ist es, wenn Sängerin Abigail Morris daran erinnert, wie die fünfköpfige Band 2021 ihr zweites jemals gegebenes Konzert gleich die Straße hinunter im renommierten Windmill spielte, fast komisch zu überlegen, wie ihre Vision jemals in solche kleinen Räume gepasst haben soll. Vor einem Hintergrund aus zahllosen drapierten Tüchern und einer quasi-shakespearischen Mise-en-scène (falsche Steinstufen, Arkaden, sogar geschmackvoll drapiertes Moos) erscheint die Band irgendwo zwischen Miss Havisham, Queen und einer Schultheatergruppe.

      Anstatt dem Standard eines einzelnen Frontmanns zu folgen, geben sie jedem Mitglied – buchstäblich – seine Zeit im Rampenlicht und machen kaum eine Pause zum Durchatmen: Der Opener ‚Agus Dei‘ lässt Leadgitarristin Emily Roberts vom Podest der Treppe loslegen (das erste von vielen monumentalen Soli); die ABBA-ähnliche Majestät von ‚I Hold Your Anger‘ sieht Pianistin/Sängerin Aurora Nishevci, die großartig das Ruder übernimmt; und das Lieblingsstück vom Debütalbum ‚The Feminine Urge‘ zeigt Abigail beim Herumspringen, als hätte sie nicht gerade opernhafte Vocals geschmettert und das Mikrofonstativ wie Mercury bearbeitet.

      Wenig überraschend fügt sich das Material des zweiten Albums ‚From The Pyre‘ nahtlos in das des letztjährigen ‚Prelude To Ecstasy‘; so wie ihr aktuelles Album die maximalistischen Motive des Debüts noch einmal zuspitzt, sind auch die Live-Versionen größer, kühner, sogar besser. Nirgendwo wird das deutlicher als bei der Kriegsklage ‚Rifle‘ – ein eindringlich inszenierter Sturm, heraufbeschworen von Gitarristin/Sängerin Lizzie Mayland, bei dem der Hintergrund vom Wind gepeitscht wird und blutrot aufblüht, während ein Mobile aus verspiegelten Schwalben tanzende Schatten über die Bühne wirft. Zwischen all dem Glam-Rock-Bombast und der übermütigen hohen Dramatik ist es einer der bewegendsten Momente des Abends – nur noch übertroffen vom donnernden, langanhaltenden Applaus, der dem klagenden ‚The Scythe‘ folgt; genug, um die Nackenhaare aufzustellen.

      Wie bei den großen Namen des Pop haben sich The Last Dinner Party auch eine treue Fangemeinde aufgebaut; heute Abend hängen sich eine Gruppe jugendlicher Mädchen an die Absperrung, bringen synchronisierte Tanzroutinen und – unerwartet – aufblasbare Saxophone mit, die sie hervorholen, um Auroras eigenes zu imitieren. Als sie gefragt werden, ob die Band einem neuen Song – ‚Knocking At The Sky‘, offenbar eine „Ode an Los Angeles“ – sein fetziges Live-Debüt geben solle, schwelgen sie in einer pantomimenhaften Rufe-und-Antwort-Interaktion; wenn die Zeit für den ever-anthemischen Höhepunkt der Debütsingle ‚Nothing Matter‘ kommt, führen sie den ganzen Veranstaltungsort, Parkett inklusive, in einen lebensbejahenden Refrain mit erhobenen Armen.

      Doch es ist ‚This Is The Killer Speaking‘, das nun Anspruch auf das große Finale des Sets erhebt – ein Zugabenteil, der trotz Energie und Begeisterung etwas verwirrend wirkt. Gestärkt durch eine zweiköpfige Bläsersektion tollen die Musiker durch den westernangehauchten Ritt, bis das Geschehen kurz vor seinen letzten Zügen zugunsten einer de facto Tanzstunde unterbrochen wird, in der Abigail von Support-Act Imogen und The Knife für eine Schritt-für-Schritt-Demonstration ausgewählter Moves begleitet wird. Sicherlich macht es Spaß, doch es scheint die Spektakel gerade dann zu bremsen, wenn es seinen triumphalen Crescendo erreicht – ein Momentumverlust, der im Widerspruch zu einer ansonsten makellos getakteten Performance steht. Aber was wäre Theater ohne ein bisschen komische Erleichterung? Vier Jahre nach ihren frühesten Tagen haben The Last Dinner Party Brixton gezeigt, dass ihre Ambition wahrlich keine Grenzen kennt.

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