Am Abend des 8. Mai wurde der Wiener Heldenplatz zu etwas ganz anderem. Die Luft war voller Geschichte, Stimmen aus verschiedenen Generationen kamen in einem ruhigen, eindringlichen Akt der Erinnerung und Möglichkeit zusammen. Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung Österreichs vom NS–Regime – und des FÜNF-Tages selbst - zog das Fest der Freude Tausende auf den Platz, der einst mit Hitlers Ankündigung des Anschlusses von 1938 widerhallte; ein Raum, der lange von seiner Rolle in der Geschichte überschattet war. Hier, inmitten von Reden von Überlebenden, Aktivisten und einer aufgezeichneten Ansprache des österreichischen Präsidenten Alexander Van der Bellen, hat 'Requiem A' des deutschen Komponisten Sven Helbig etwas Seltenes getan: Es hat Trauer in Schwerkraft und Erinnerung in Schwung verwandelt.
Es gibt vielleicht niemanden, der besser geeignet ist als Helbig – ein Komponist, Regisseur und Musikkomponist, dessen Werk sich geschickt zwischen klassischer Tradition, Elektronik und weit darüber hinaus bewegt –, dies zu unternehmen. Geboren und wohnhaft in Dresden, einer Stadt, die immer noch von den Narben des Krieges und der Erneuerung geprägt ist, bringt Helbig nicht nur künstlerische Bandbreite, sondern gelebte Resonanz in das Stück. Seine Fähigkeit, das Heilige und das Synthetische, das Intime und das Monumentale in einem Rahmen zu halten, hat ihn lange Zeit als einzigartige Stimme ausgezeichnet. Mit 'Requiem A' wird diese gestaltwandelnde Meisterschaft zu etwas anderem: einer zutiefst persönlichen Abrechnung, die universell gemacht wird.
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'Requiem A', aufgeführt von den Wiener Symphonikern, dem Knabenchor der Dresdner Kreuzkirche und dem Wiener Jugendchor Neue Wiener Stimmen, ist nicht nur ein Chorwerk: Es ist ein Akt der Klangarchäologie, bei dem ererbtes Trauma gesichtet wird, um eine Zukunft auszugraben, nach der es sich noch zu streben lohnt. "Auf dem Heldenplatz spürt man den Atem der Geschichte", erzählt Helbig. “Wir waren alle tief bewegt auf der Bühne. Es ist unbeschreiblich, wie ein einsamer Moment so viel kraftvoller wird, wenn 170 Musiker dasselbe empfinden." Seine Stimme trägt das Gewicht von jemandem, der weiß, dass dies nicht nur Leistung ist. Es ist Partizipation.
Das Stück, das Anfang des Jahres in der Dresdner Kreuzkirche uraufgeführt wurde, ist auf wechselndem Terrain aufgebaut: Lateinische Liturgie, seine eigenen Texte, spektrale Elektronik und läutende Glocken, alles zusammengefügt mit einem scharfen Bewusstsein dafür, wo es aufgeführt wird. "Unser heutiges Handeln findet vor einem historischen Hintergrund statt und bewegt sich in eine ungewisse Zukunft", sagt er. “Die Elektronik repräsentiert die Umgebungspräsenz von Erinnerung und Möglichkeit." Das Ergebnis ist eine Klangwelt, die sich gleichzeitig uralt und schwerelos anfühlt, in der sich gefiltertes Ambiente um erhabene Motive und Gletscherimpulse wickelt wie Atem, der zu Stein zurückkehrt.
Die vom isländischen Künstler Maní Sigfusson geschaffenen Visuals verliehen dem Werk eine Ebene erhabener Metamorphose; eine Abfolge wechselnder Bilder, die den mitreißenden emotionalen Bogen der Musik widerspiegelten. Ihre Komplexität und Symbolik fingen das industrielle und historische Gewicht des Stücks ein und bekräftigten auf subtile Weise die Vorherrschaft der Natur über alles. Es war ein weiteres wichtiges Element in diesem riesigen kollektiven Akt; reflektierend auch die atemähnliche Säule im Herzen des Werktitels.
Die Wahl des Titels 'Requiem A' durch den Komponisten ist kein Zufall. "A" kann für Anfang, Asche und Atmen stehen. Das Stück bewegt sich durch alle drei. "Wir dürfen nie aufhören, nach einem Ausweg und nach einem Neuanfang zu suchen", erklärt Helbig. Diese Idee wurde ihm von seiner Tochter Ida in frühen Gesprächen über die Arbeit vorgeschlagen. "Sie war damals 15", fügt er hinzu. “Ein Chor, der aus jungen Leuten besteht, muss an eine Zukunft glauben.”
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Das Gewicht dieses Glaubens war in der Nacht greifbar zu spüren. Dirigent Martin Lehmann entlockte dem Orchester und den Chören zurückhaltende Intensität, Die Aufführung fühlte sich an wie ein langsames Ausatmen – Trauer in Andacht. Im Mittelpunkt stand René Pape, eine der weltweit einzigartigsten Opernstimmen, deren Timbre sowohl Ernst als auch emotionale Zerbrechlichkeit ausstrahlte. Seine Anwesenheit war keine bloße Gastrolle: Sie fühlte sich so vital, so integriert an wie die Jugend des Kreuzchors oder die unerschütterliche Brillanz der lokalen Symphonie. In Papes Bass sprach die Vergangenheit klar und mit unerschütterlicher Klarheit. In den Harmonien der Chöre schob sich die Zukunft sanft durch. Das schiere kollektive Gewicht davon - Generationen, Geografien und Vermächtnisse, die in einem einzigen Werk zusammenfließen – machte es zu einem wirklich einzigartigen Anlass. Er war nicht die einzige Linie, die auf der Bühne präsent war. Helbigs eigene Wurzeln, geformt im Dresden der Nachkriegszeit und geprägt von Gesprächen mit seinem inzwischen betagten Großvater und seiner jugendlichen Tochter, pulsierten durch jeden Bogen und jede Bewegung.
Helbig komponierte Papes Partie mit fast spiritueller Präzision. "Ein Chor und ein Orchester drücken breite, oft abstrakte Emotionen aus", erklärt er. "Aber in 'Requiem A' wollte ich zwei Momente schaffen, die sich zutiefst persönlich anfühlen, in denen die individuelle Erfahrung im Mittelpunkt steht." Im Kontext des Krieges, in dem die Toten so oft zu Tausenden gezählt werden, versuchte Helbig, Platz für die Trauer eines Einzelnen zu schaffen. "Hinter jeder Zahl steht der Verlust eines einzelnen Menschen - eine individuelle, ewige Trauer", sagt er. “In seinen Arien trifft das Ewige auf das Flüchtige. René war die perfekte Stimme dafür. Ich hörte seinen Ton in jedem Wort, während ich schrieb.”
Diese Arien sind mit Absicht platziert: Die erste erscheint an Position drei, ein Plädoyer für Stärke; es kehrt um sechs als Agnus Dei zurück und löst sich an Position neun mit Atem (deutsch für Atem) auf – eine akustische Antwort auf diesen ursprünglichen Ruf. Diese triadische Struktur folgt der Tesla-zugeschriebenen 3/6/9-Sequenz und wird von Helbigs Interesse an Numerologie und den Lehren der Pythagoräer geleitet. “Die vielen Quarten, Quinten und Oktaven, die sich im gesamten Werk finden, sind ein direkter Hinweis auf ihre Weltanschauung – in der diese Intervalle den Schlüssel zum Verständnis der Harmonie des Kosmos enthielten." Auf diese Weise wird Papes Rolle nicht nur zu einem einzigartigen emotionalen Zentrum, sondern zum Rückgrat einer metaphysischen Architektur – einer Architektur, die gebaut wurde, um Abwesenheit, Präsenz und den Atem dazwischen zu halten.
Dabei lenkt Helbig die Dinge mit der ruhigen Präzision eines Menschen, dessen kompositorische Stimme weit über die Seite hinausreicht. "Der Kompositionsprozess wird erst im Konzert selbst abgeschlossen", sagt er mir. “Jede Aufführung klingt anders. Ich reagiere auf das Ensemble, das Publikum, den Anlass. Man spürt, wie lange das Publikum eine Drohne halten kann, wie viel Intensität benötigt wird, ohne die Waage zu kippen.”
Das Gleichgewicht ist hier fast alles. Zwischen den Zeiten, zwischen den Disziplinen, zwischen dem Kolossalen und dem Nahen. Sogar die elektronischen Texturen, die vollständig aus den selbst bearbeiteten Aufnahmen des Chores stammen, fühlen sich an den menschlichen Atem gebunden an. "Ich wollte eine enge Beziehung zwischen elektronischen Klängen und akustischen Instrumenten", sagt er. "Melodien und Texte werden wie Schaum auf der Oberfläche eines Ozeans der Zeit.”
Am Heldenplatz schien die Zeit selbst für einen Moment stillzustehen. Nicht nur in der Musik, sondern auch in der Stille dazwischen: in Gegenwart von Auschwitz-Überlebenden, in der sorgfältigen Ehrfurcht der Zuschauer, im Anschwellen von Beethovens 'Ode an die Freude', die den Abend abschließt. Es war kein triumphales Ende. Es war ein Signal; eine kollektive Entscheidung, gemeinsam nach vorne zu schauen, wenn auch nur für einen Moment.
"Am liebsten würde ich ein paar Stunden gedankenverloren alleine durch die Stadt laufen", sagt Helbig, als ich frage, wie er sich nach der Aufführung des Stücks fühlt. Er beschreibt eine Erinnerung an seinen Großvater, an Federn, die hinter einem Paddelboot schweben, und darin eine Metapher für die fragile Drift der Erinnerung. “Jeder Moment im Leben ist wie eine dieser Federn, die allmählich davonschweben. Das Verblassen der Zeit ist sowohl eine Chance für neues Glück als auch eine Möglichkeit für neuen Schaden. Wir müssen wachsam bleiben.”
In 'Requiem A' erinnert Helbig nicht nur. Er entwirft eine Wachsamkeit, die die Vergangenheit festhält, die Gegenwart anerkennt und es wagt, sich etwas Besseres vorzustellen. Das Stück ist jetzt bei der Deutschen Grammophon erschienen. Seine Resonanz ist ebenso wie das Ansehen seines Autors als Meister der zeitgenössischen Komposition zutiefst gesichert.
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'Requiem A' von Sven Helbig ist ab sofort bei der Deutschen Grammophon erhältlich. Er führt 'Requiem A' am 4. Oktober in der Westminster Central Hall in London auf.
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